Carmen Lundy By Mark HanauerLeibnitz: Jazz, Wein und reizvolle Landschaft
Vom Schlosskeller bis zum Weingarten: Genre-Experte Otmar Klammer richtet das Leibnitzer Jazzfestival größer und erstmals international aus.
14.10.2015 | 16:38 |  von Samir H. Köck  (Die Presse)

Die Steiermark ist traditionell eng mit dem Jazz verbunden. Die Grazer Jazzuniversität erfreut sich international allerbesten Rufs, und jetzt blühen auch außerhalb der Landeshauptstadt die Festivals auf. Neben Most & Jazz in Fehring stellt sich nun das von Otmar Klammer kuratierte erste Internationale Jazzfestival Leibnitz vor.

Die Presse: Leibnitz setzt in Untertitel und Logo auf die Kombination Jazz und Wein. Braucht man ein Räuscherl, um den Jazz, der als kompliziert verschrieen ist, zu verstehen?
Otmar Klammer: Ich selbst bin strikter Antialkoholiker, beneide aber die wirklichen Weinkenner um ihren Entspannungsfaktor. Die Verbindung von Jazz und Wein in Festivaltiteln ist nicht neu, es gibt sie vom italienischen Cormòns (Jazz & Wine of Peace, Anm.) bis ins französische Saint-Émilion (Jazz et du Vin, Anm.). Da wie dort versucht man, mit einer besonders reizvollen Landschaft ein zusätzliches Publikum zu gewinnen. In einer extrem dichten Jazzfestivallandschaft wie der europäischen kann man sich nur mehr mit einem markanten inhaltlichen Profil in Verbindung mit einem attraktiven Ambiente behaupten.

Der melodische Jazz wird gern im Lebenskunstkontext geparkt. Ist Jazz nur für Connaisseure, oder kann man ihn ohne Vorbildung genießen?
Mit der Vorbildung ist es wie überall im Leben, je mehr ich mich mit irgendetwas beschäftige, desto mehr verstehe ich davon und desto höher werden die Ansprüche.
Mit Dena DeRose tritt eine amerikanische Sängerin auf, die Professorin für Jazzgesang an der Kunst-Uni Graz ist. Was sind ihre Qualitäten?
Sie ist eine der besten Sängerpianistinnen, die ich kenne. Sie begleitet sich nicht, sie ergänzt sich – die Sängerin die Pianistin, die Pianistin die Sängerin. Und ihre Artikulation ist klar und unprätentiös. Außerdem schätze ich ihre Begeisterungsfähigkeit für improvisierte Musik im weiteren Sinn.

Welche positiven Auswirkungen hat diese Jazzuniversität in Graz ganz allgemein? Ist das Interesse am Jazz in der Region durch sie gewachsen?
Dieser Einrichtung – bekanntlich die älteste ihrer Art in Europa – hat Graz schlicht und einfach seinen Ruf als Jazzstadt zu verdanken. Vor diesem didaktischen Hintergrund hat sich viel entwickelt, hat es in Graz schon immer viele Jazzclubs, Bands, einschlägige Veranstalter und Festivals gegeben, im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr als in jeder anderen österreichischen Stadt. Was wohl auch dazu geführt hat, dass Graz zweifelsfrei das kritischste Jazzpublikum in Österreich hat.

Von Experten wird oft die Verschulung des Jazz beklagt. Die jungen Leute spielen perfekt, haben aber keinen individuellen Ansatz, keinen charismatischen Ton. Ist es so?
Grundsätzlich stimmt das. Die Ausbildungsstätten für Jazz – von Zweigen in Musikschulen und Konservatorien bis zu Hochschulen und Unis – haben in Europa in den letzten zwanzig Jahren eklatant zugenommen. Was auch zu einem regelrechten Konkurrenzkampf geführt hat. Das Ergebnis sind viele sehr gut ausgebildete Musiker, von denen die meisten mangels Perspektiven und Auftritten wieder im Lehrberuf landen. Kreativität und Marketing sind dabei die größten Defizite der meisten dieser Institutionen.

Wie kamen Sie auf die großartige Carmen Lundy, die Ewigkeiten nicht in Wien gastierte?
Ich kenne Carmen Lundy von einem Konzert in New York vor vielen Jahren, ich glaube, es war in der Radio City Music Hall. Seit damals will ich die Dame in Graz beziehungsweise der Steiermark präsentieren. Es gibt in den USA nämlich viele großartige Sängerinnen, vor allem schwarze, die in Europa neben den üblichen, von der Plattenindustrie gepuschten Verdächtigen nicht den gebührenden Bekanntheitsgrad haben.

Neben der Tonkunst präsentieren sie auch eine Fotoausstellung von Rainer Rygalyk, dem wohl besten Jazzfotografen des Landes. Was schätzen Sie an seiner Ästhetik?
Als ehemaliger Musiker, Herausgeber einer Jazzzeitung und Veranstalter hat Rainer das Auge für das, was der dabeigewesene Konzertbesucher erst nachher beim Betrachten seiner Bilder entdeckt. Und darüber staunt.

Wie definieren Sie Erfolg für das Jazzfestival Leibnitz?
Für unbekannte oder kaum bekannte Musiker Publikum zu gewinnen freut mich mehr, als mit Cassandra Wilson das Ausverkauft-Schild auszuhängen.
http://diepresse.com/home/leben/mensch/4843707/Leibnitz_Jazz-Wein-und-reizvolle-Landschaft

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